Gender Pay Gap: Das sind die Folgen ungleicher Bezahlung zwischen Mann und Frau

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Gender Pay Gap. Oder: Warum wir endlich aufhören müssen, darüber zu sprechen.

Mittlerweile dürfte bei jeder und jedem angekommen sein, dass der Gender Pay Gap hierzulande aktuell bei etwa 18 Prozent liegt. Was aber die wenigsten wissen: Dass Deutschland mit diesen 18 Prozent tatsächlich ziemlich peinlich, ziemlich weit hinten und ziemlich allein dasteht – und zwar im Vergleich zu nahezu allen EU-Ländern! Seit etwas mehr als 15 Jahren veröffentlicht die EU-Kommission für alle ihre Mitgliedsstaaten regelmäßig die Gender-Pay-Gap-Statistiken. Und genauso lange belegt Deutschland darin konsequent die Flop-5-Schlussplätze. Mehrere Jahre hintereinander waren wir sogar unter den “Flop 3”, gleich neben Österreich und der Schweiz.

Angestellte und selbstständige Frauen sind massiv benachteiligt

Das gilt übrigens nicht nur für Angestellte: Weiblich geführte Start-ups bekommen hierzulande auch nur einen Bruchteil des Geldes im Vergleich zu dem, was männlich geführte Start-ups an Finanzspritzen einheimsen: Der sogenannte Gender Investment Gap oder auch Kapital-Gender-Gap offenbart, dass weiblich geführte Start-ups im Schnitt neunmal (!) weniger Geld erhalten als männliche Teams. Frauen of Color kriegen dann noch mal 20-mal weniger Kapital.

Wie viel schwerer es weibliche Firmen haben, hat man auch während Corona wunderbar beobachten können: So errechnete das Statistische Bundesamt, dass während der Pandemie 63 Prozent aller selbstständigen Frauen Einkommensverluste hatten, im Vergleich zu 47 Prozent der selbstständigen Männer, und dass Frauen-Businesses zu 56 Prozent von temporären Schließungen betroffen waren, aber nur 35 Prozent der Männer geführten Firmen. 

Hätte man dieser Gender-Ungerechtigkeit nicht mit speziellen Finanzspritzen begegnen müssen? Hätte man, ja. Passiert ist leider genau das Gegenteil: So flossen laut Uni Fulda 73 Prozent der ersten Corona-Wirtschaftshilfen in männlich dominierte Branchen und nur 4,2 Prozent in weiblich dominierte Geschäftszweige. Ich habe dazu einfach keine Worte mehr.

Der Gender Lifetime Earnings Gap liegt bei 62 Prozent

Dabei ist der Gender Pay Gap noch nicht mal der schlimmste Faktor, der frau heutzutage begegnen kann: Dieser wird sich nämlich irgendwann zu einem noch viel hässlicheren Gender Pension Gap (Rentenlücke) von aktuell bis zu 49 Prozent aufsummieren. Was nichts anderes bedeutet, als dass Frauen aktuell im Schnitt etwa die Hälfte an Rente bekommen, verglichen mit Männern. Was schlussendlich in den ebenso hässlichen Gender Lifetime Earnings Gap (Lebenseinkommens-Gap) mündet, also was eine Frau im Vergleich zu ihrem Partner am Ende ihres Lebens an Lebenseinkommen verdient haben wird. Auch diese Lücke liegt hierzulande aktuell bei bis zu 45 Prozent. Aber nur wenn keine Kinder da sind. Wer aktuell Mitte 30 ist, in Westdeutschland lebt und Mutter ist, wird im Laufe des Lebens durchschnittlich etwa 580 000 Euro brutto verdient haben. Beim männlichen Pendant, einem Mitte 30-jährigen Vater, werden es im Schnitt 1,5 Millionen Euro sein. Was für Mütter einen Gender Lifetime Earnings Gap von sage und schreibe 62 Prozent bedeutet. Und damit knapp eine Million Euro Unterschied. Cool.

Falls jemandem gerade die Ohren schlackern, und sich die Frage aufdrängt, wie wir denn aus dieser Misere rauskommen, gibt’s darauf verschiedene Antworten: Abgesehen davon, dass wir Frauenquoten, strengere Entgeldtransparenzgesetze und mehr Anreize für Väter in Elternzeit brauchen, müssen wir endlich aufhören, den Gender Pay Gap als den wichtigsten Indikator für Gleichstellung heranzuziehen. Auch Wissenschaftler:innen plädieren dafür, stattdessen lieber den Gender Pension Gap oder den Gender Lifetime Earnings Gap mehr in den Fokus zu rücken. Um sichtbar zu machen, dass Frauen am Ende ihres Lebens eben nicht 18 Prozent weniger verdient, sondern eher die Hälfte eingebüßt haben, werden verglichen mit ihrem männlichen Partner. Und dass das doch sicherlich keine erstrebenswerte Zukunft sein sollte, weder für unsere Töchter noch für unsere Söhne.

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Buchcover

Frauen sterben eher, wenn sie von einem Mann statt von einer Frau operiert werden; die Inflation ließ Preise für weibliche Kleidung höher steigen als für männliche … Weitere Fakten zum Haareraufen liefert Alexandra Zykunov in “Was wollt ihr denn noch alles?!”. (304 S., 16 Euro, Ullstein)

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Source: Aktue