Meinung: FDP will Elterngeld-Monate streichen – 4 Dinge, die dagegen sprechen

Aktuel

Die FDP hat einen Alternativvorschlag zu den von Familienministerin Lisa Paus geplanten Elterngeld-Kürzungen vorgelegt: Das Elterngeld soll bei allen Familien reduziert werden und nicht nur bei Gutverdiener:innen. 

Familienministerin Paus (Grüne) musste in ihrem Haushalt kürzen und entschied, dass Familien mit hohen Einkommen (ab 150.000 Euro Jahreseinkommen) auf das Elterngeld verzichten können. Die FDP will die Unterstützung lieber für alle reduzieren und hat nun einen Gegenvorschlag gemacht: Allen Paaren sollen zwei Elterngeld-Monate gestrichen werden. 

BRIGITTE-Redakteurin Alexandra Zykonov hält den FDP-Vorschlag für kontraproduktiv und irreführend. Eine Einordnung:

1) Fehlende Kinderbetreuung

Elterngeldmonate von 14 auf zwölf Monate zu reduzieren, ist komplett an der Realität vorbei regiert: Aktuell fehlen uns 370.000 Kitaplätze und mehr als 100.000 Erzieher:innen. Heißt, wenn die Elterngeldmonate für hunderttausende neu geborene Babys sinken sollen, müssten diese hunderttausenden Babys plötzlich früher in die Kita. Gleichzeitig wird es für sie aber perspektivisch nicht mehr, sondern weniger Kitaplätze geben. Es sei denn, die FDP plant mit ihrem Vorschlag eine massive Erzieher:innen-Anlockstrategie mit bezahlten Ausbildungen, Boni, etc. Nein? Dann wird der FDP-Vorschlag, Elterngeldmonate zu verkürzen, das Problem der fehlenden Betreuung verschärfen.

2) Rolle rückwärts für die Gleichstellung  

Dass mindestens zwei Vätermonate verpflichtend und nicht auf die Frau übertragbar sind, ist eine gigantische Errungenschaft für die Gleichstellung. Studien belegen, dass hier nicht weniger, sondern MEHR nicht übertragbare Vätermonate nötig wären – drei, vier, fünf oder sechs – damit wir mit der Gleichstellung vorankommen. Warum? Weil erst, wenn Väter MONATELANG Care-Arbeit übernehmen, sowohl der Gender Care Gap wie auch der Gender Pay Gap zu sinken beginnen. Mehrere EU-Länder haben die nicht übertragbaren Vätermonate bereits auf drei oder vier Monate erhöht. Und bei uns? Sollen sie laut FDP komplett gestrichen werden. Das wäre für die Gleichstellung ein gigantischer Schritt rückwärts.

3) Augenwischerei bei den Vätermonaten

Immerhin sieht die FDP die physiologische wie psychische Notwendigkeit des Wochenbetts und der Genesung der Mutter und räumt den Vätern, die den ersten Monat zu Hause bleiben wollen, einen 13. Elterngeldmonat ein. Nur: Hier will die FDP etwas für sich verbuchen, das längst existiert. Väter können mit den jetzt schon bestehenden Gesetzen den ersten Monat nach Geburt Elternzeit nehmen und fast jeder zweite Vater, der Elternzeit nimmt, nimmt genau diesen ersten Monat nach Geburt. Das ist also keine Errungenschaft der FDP, sondern bestehendes Elterngeldgesetz. Etwas theoretisch zu kürzen und dann “ausnahmsweise” wieder zu erlauben und diese “Erlaubnis” als Errungenschaft zu feiern, ist keine Errungenschaft, sondern Augenwischerei.

 

4) Es wird teurer als behauptet

Die FDP will Vätern, die im ersten Monat Elternzeit nehmen, einen 500-Euro-Bonus zahlen. Aber: Erstens versucht die grüne Familienministerin Lisa Paus doch schon seit zwei Jahren, die BEZAHLTE Familienstartzeit durchzubringen, was die FDP blockiert. Und zwei Wochen BEZAHLTE Familienstartzeit für Väter wären bei einem durchschnittlichen Gehalt von 4100 Euro brutto allein für die ersten zwei Wochen locker 2000 Euro brutto. Was ja mehr ist, als die jetzt hier von der FDP angepriesenen 500 Euro für einen Monat. Und zweitens, wäre der Väteranreiz, Elternzeit zu nehmen, NOCHMAL größer, wenn es endlich zum Inflationsausgleich und einer Erhöhung des bestehenden Elterngeldes käme – auch etwas, das Lisa Paus antizipiert hatte, wofür aber auch kein Geld da ist, Stichwort: Schuldenbremse.

Die Autorin: Alexandra Zykunov (@alexandra___z/) ist SPIEGEL-Bestseller-Autorin (“Wir sind doch alle längst gleichberechtigt!” 25 Bullshitsätze und wie wir sie endlich zerlegen – eine wütende Abrechnung mit dem Patriarchat, die jede Frau lesen sollte, Ullstein, 11,99 Euro). Im November 2023 wird ihr Buch “Was wollt ihr denn noch alles?!“: Zahlen, Fakten und Absurditäten über unsere ach-so-tolle Gleichberechtigung – Geschlechterungerechtigkeit erklärt von Deutschlands unterhaltsamster Wutfluencerin“ erscheinen (Ullstein, 15,99 Euro).

 

 

Source: Aktue