Psychologie: Seit ich eine Regel befolge, fallen mir Lebensentscheidungen leichter

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Manchmal kann es schwierig sein, für sich selbst eine gute Entscheidung zu treffen. Unsere Autorin hat eine Stütze gefunden, die ihr bei vielen Entscheidungen hilft.

Es gibt viele tolle Tipps und Ideen, die uns dabei helfen können, Entscheidungen zu treffen. In dem Text einer Kollegin habe ich vor einigen Tagen zum Beispiel gelesen, dass wir meistens Nein meinen, wenn wir nicht Ja sagen können (besagter Artikel heißt “Simple Regeln, die uns glücklicher machen” und ich fand ihn sehr lesenswert). Sich die Frage zu stellen, ob wir über eine bestimmte Entscheidung in zehn Tagen oder zehn Monaten oder zehn Jahren noch nachdenken werden, halte ich ebenfalls für einen guten Ansatz. Hier möchte ich nun aber eine Regel teilen, über die ich bisher noch nicht gelesen habe, zumindest nicht, dass ich wüsste. Vielleicht habe ich sie selbst erfunden, vielleicht habe ich sie beobachtet oder abgeschaut, doch auf jeden Fall habe ich bemerkt, dass sie mir hilft. Die geheimnisvolle Regel lautet: Wenn mir etwas wichtig ist, bin ich bereit, dafür zu bezahlen.

Was kostet das Meer?

Ein einfaches Beispiel: Ich liebe das Meer und besonders liebe ich es, darin zu schwimmen. Im Meer zu schwimmen, bedeutet mir so viel, dass ich dazu bereit bin, mich gegebenenfalls von einer Qualle brennen zu lassen. Ich bin dazu bereit zu frieren, sobald ich aus dem Wasser komme, und die Kälte des Wassers zu ertragen, wenn ich hineingehe. Ich bin dazu bereit, mich von einer Welle untergluckern zu lassen, wenn ich nicht genug aufpasse. Um im Meer zu schwimmen, bin ich bereit, gewisse Risiken einzugehen und Unbequemlichkeiten auf mich zu nehmen – das ist es mir wert.

Ein weiteres, für mich weniger einfaches Beispiel (bitte steinigt mich nicht): Als die Corona-Impfung freigegeben wurde, hatte ich, um ganz ehrlich zu sein, Bedenken. Vielleicht hatte ich intuitiv sogar größere Angst vor möglichen Nebenwirkungen der Impfung als vor dem Virus. Trotzdem habe ich mich impfen lassen und die Entscheidung fiel mir nicht einmal besonders schwer. Ich wollte meine Freiheit und meine Ruhe. Reisen zu können, mit Freund:innen essen zu gehen, mich nicht dafür rechtfertigen zu müssen, warum ich mich nicht impfen lasse – all das, was die Impfung für mich bedeutete, war es mir wert, das Risiko, so wie ich es wahrgenommen und empfunden habe, einzugehen und im schlimmsten Fall die Konsequenzen zu tragen. 

Die Angebote des Lebens und ihr Preis

Die Beispiele sollten einigermaßen illustrieren, was, glaube ich, für viele unserer Entscheidungen gilt, womöglich gerade für große Lebensentscheidungen: Immer wieder müssen wir abwägen und für uns persönlich erkennen, welchen Preis wir wofür zahlen wollen und können. Hinter jeder Abbiegung liegen Risiken und Gefahren, kaum eine Lebensetappe verlangt uns keinen Einsatz, keine Anstrengung ab. Meine Ängste senden mir regelmäßig Warnungen: Hier könnte Schmerz lauern, dort droht Verlust, da vorne wird es unbequem und dieser Weg erfordert wahrscheinlich Verzicht. Diese Warnungen ignoriere ich nicht, doch nach ihnen richte ich mich auch nicht, ich beziehe sie lediglich in meine Entscheidungen mit ein. Sie sind wie ein Preisschild, das mir anzeigt, was es mich (maximal) kosten wird, wenn ich mich auf ein bestimmtes Angebot meines Lebens einlasse. 

Führe ich mir wiederum den (möglichen) Preis meiner Entscheidungen vor Augen und wäge darauf basierend ab, ob ich bereit bin, ihn zu zahlen, kann ich daran oft auch gut erkennen, was mir in meinem Leben wirklich wichtig ist. Sind mir bestimmte Menschen wichtig genug, eine unbequeme oder teure Reise auf mich zu nehmen, um sie nach zehn Jahren wieder zu sehen? Ist mir eine Auszeit wichtig genug, um dafür zu sparen oder um sogar zu riskieren, dass ich meinen Job verliere? Ist es mir die Aussicht auf eine hohe Rente wert, 50 Jahre lang richtig hart dafür zu arbeiten?

Ich möchte nicht so tun, als ob es mir mit meiner an Genialität nicht zu übertreffenden Regel leicht fällt, solche Fragen auf Anhieb zu beantworten und an jeder Abbiegung sofort meine richtige Richtung zu finden. Sie vereinfacht aber einiges für mich, schenkt mir ein wenig mehr Klarheit und hilft bei der Orientierung. Und sonst, wenn sie mir mal gar nicht weiterhilft, nutze ich eben einen anderen Wegweiser. Zum Beispiel den, dass ich Nein meine, wenn mich das Ja zögern lässt.

Source: Aktue